Meine Befristungskontrollklage gegen Gruner und Jahr wurde in erster Instanz vom Arbeitsgericht Hamburg abgewiesen. Bis die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, kann es Wochen dauern. Allerdings ist klar: Für die Entscheidung des Gerichts kann es zwei verschiedene Gründe geben – einer davon könnte einen Präzedenzfall schaffen.
Ich habe versucht, die juristischen Sachverhalte möglichst allgemeinverständlich zu erläutern:
Der erste mögliche (langweilige) Grund:
Meine Befristungskontrollklage gründet darauf, dass nach geltendem Recht Arbeitsverhältnisse nicht länger als zwei Jahre sachgrundlos befristet werden dürfen.
Mein Anwalt Carl-Christian Ziehm von der Hamburger Anwaltskanzlei REMÉ und ich haben versucht, vor Gericht nachzuweisen, dass zwischen Gruner und Jahr und mir bereits vor Beginn meines Arbeitsvertrages am 1. Januar 2016 ein Arbeitsverhältnis bestand: Schließlich habe ich bereits in den Jahren 2014/2015 an zwei festen Tagen pro Woche klassische Redakteurinnentätigkeiten mit festgelegtem Aufgabenbereich für die BRIGITTE WOMAN verrichtet.
Gruner und Jahr bestreitet, dass vor 2016 ein Arbeitsverhältnis bestand.
Es kann sein, dass das Gericht die Sicht Gruner und Jahrs teilt und daher meine Klage abgewiesen hat. Denn wenn tatsächlich vor dem 1. Januar 2016 kein Arbeitsverhältnis bestand, dann wäre die sachgrundlose Befristung meines Vertrages rechtens.
Der zweite mögliche (juristisch viel kompliziertere, aber auch viel spannendere) Grund:
In der Klagerwiderung hat Gruner und Jahr außerdem – quasi vorsorglich – argumentiert: Selbst wenn das Gericht zu dem Schluss käme, dass schon vor der Festanstellung als stellvertretende Redaktionsleiterin ein Arbeitsverhältnis bestand – wäre die Befristung dennoch gültig, nämlich weil Frau Karnick „programmgestalterisch“ tätig war:
Programmgestalterisch – das ist ein Fachbegriff aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er bedeutet so viel wie: Eine journalistische Mitarbeiterin (oder ein journalistischer Mitarbeiter) übt eine Tätigkeit aus, bei der sie oder er die gesendeten Programminhalte maßgeblich und unabhängig beeinflusst und prägt durch die eigene Meinung, Sichtweise und Haltung.
Es hat nun in der Vergangenheit Gerichtsurteile gegeben, die besagen: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den im Grundgesetz verankterten Auftrag, Meinungsvielfalt abzubilden. Diesem Auftrag kann er aber nur dann gerecht werden, wenn seine programmgestalterisch tätigen MitarbeiterInnen eine möglichst große Vielfalt von verschiedenen Meinungen repräsentieren.
Daher muss es den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten erlaubt sein, immer wieder neue MitarbeiterInnen mit neuen, anderen Meinungen im programmgestaltenden Bereich zu beschäftigen.
Darum – damit die Sender zum Zwecke der Meiunungsvielfalt immer mal wieder neue MitarbeiterInnen beschäftigen können – müssen sie Arbeitsverträge programmgestaltender MitarbeiterInnen befristen dürfen.
Gruner und Jahr argumentiert nun, was für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelte, müsse auch für Presse-Verlage gelten:
Als Kolumnistin und stellvertretende Redaktionsleiterin hätte ich einen persönlichen, durch keinerlei Weisungen und Vorgaben beschränkten Einfluss auf die Inhalte und die Haltung der BRIGITTE WOMAN gehabt, ich wäre also programmgestalterisch tätig gewesen.
Vielleicht hat das Gericht also auch entschieden, dass durchaus vor 2016 ein Arbeitsverhältnis bestand, ist dann aber letztlich dieser Argumentation gefolgt.
Egal, aus welchen Gründen meine Klage abgewiesen wurde, zumindest derzeit gehen mein Anwalt Carl-Christian Ziehm und ich davon aus, dass wir Berufung einlegen werden. Aber natürlich müssen wir erst mal die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, bevor wir das verbindlich entscheiden.
Hier – für die JuristInnen unter euch und das interessierte Fachpublikum – seine fachliche Stellungnahme:
„Der Fall wirft zwei Fragen auf:
Zunächst ist zu klären, ob Frau Karnick bereits in den Jahren 2014 und 2015 entgegen der Ansicht des Verlags in einem Arbeitsverhältnis stand. Würde diese Frage bejaht, wäre die Frage zu klären, ob das sich anschließende Arbeitsverhältnis wirksam befristet war.
Der Verlag argumentiert, dass die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung sachlich gerechtfertigt hätte. Im Rundfunkbereich wird nach der Rechtsprechung vorbehaltlich einer Abwägung im Einzelfall der in Art. 5 I GG geschützten Rundfunkfreiheit Bedeutung für die sachliche Rechtfertigung von befristeten Arbeitsverhältnissen mit programmgestaltenden Mitarbeitern tatsächlich zuerkannt.
Die großzügige Rechtsprechung im Rundfunkbereich resultiert ursprünglich aus dem Gebot der Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte, dem auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung des programmgestaltenden Personals Rechnung zu tragen ist. Dieser Aspekt lässt sich auf andere Tendenzträger aber nicht ohne weiteres übertragen. Gerade einzelne Presseorgane sind nicht dem Gebot der Vielfalt, sondern viel eher einer bestimmten Tendenz verpflichtet, so dass die Eigenart der Arbeitsleistung eines Redakteurs aus meiner Sicht keine Befristung sachlich rechtfertigt.
Der Rechtsstreit bietet wohlmöglich die Chance, die zweite Frage höchstrichterlich zu klären.“