- Ich habe mich endgültig daran gewöhnt, dass der inzwischen 21-Jährige AUSGEZOGEN ist. Und ich habe entdeckt, wie schön es ist, vom eigenen Kind besucht zu werden.
- Ich habe immer noch nicht wieder angefangen zu RAUCHEN.
- Ich habe mehrere halbherzige Versuche unternommen, die Kilos loszuwerden, die ich nach dem Rauchen-Aufhören zugenommen habe. Hat nicht geklappt. Weil ich nämlich so sehr gerne sehr LECKERE SACHEN esse. Man kann doch nicht mit allem aufhören, was das Leben schön macht.
- Ich habe zum Beispiel extrem lecker gegessen in WIEN, wo ich mit jener Freundin gewesen bin, mit der ich in jedem Frühjahr einen Städtetrip mache. Ehrlich gesagt fand ich das extrem leckere Essen das Allerallerbeste an Wien.
Ok, das Kunsthistorische Mueum, die Albertina und das Akademietheater, den Karl-Marx-Hof und den Waschsalon: Fand ich auch alles toll. Aber nichts hat mich an Wien nachhaltiger beeindruckt als die „Original Tichy Eismarillenknödel“ im gleichnamigen Eissalon. Und in der Gastwirtschaft Blauensteiner haben wir gleich zwei Abende verbracht, so verzückt waren wir von dem Kontrast zwischen schrabbeliger Inneneinrichtung und grummeligen Kellnern einerseits und der Köstlichkeit der dort servierten Speisen andererseits.
Den (nicht essbaren) Rest der Stadt fand ich schön, aber auch ein bisschen langweilig in seiner Sissihaftigkeit, mir war die Atmosphäre zu kaiserlich und museal – jedenfalls empfand ich Wien als nicht so aufregend wie Rotterdam und Warschau in den Jahren zuvor. Und bevor jetzt alle Wienerinnen und Wiener beleidigt sind: Dass sie schön und ziemlich langweilig ist, wird ja oft auch über meine Heimatstadt Hamburg gesagt. Zurecht. - Ich habe das vorerst letzte Mal eine Aula betreten: Die 18-Jährige hat ABI gemacht, und das bedeutet, dass das nagelneue Schuljahr das erste seit 2004 ist, das ohne uns begonnen hat. Ich vermisse nichts.
- Nachdem sie Abi gemacht hatte, bin ich mit ihr nach DESSAU gereist, weil sie so gerne mal das Bauhaus besichtigen wollte – und ich auch. Jetzt finde ich: Alle sollten mal das Bauhaus (und Dessau und das Rote Wien) gesehen haben und sich mit mir fragen, was aus dem architektonischen Idealismus und den städteplanerischen Visionen der Zwischenkriegsjahre geworden ist – aus der Idee, gutes, menschenfreundliches, ästhetisches Wohnen auch für Geringverdiener erschwinglich zu machen? Warum sind wir in dieser Hinsicht heute unsozialer und weniger progressiv als vor hundert Jahren? Übrigens kann man auch in Dessau ganz hervorragend essen, nämlich im Heilmanns by Tobias Felger. Herr Felger ist ein junger, experimentierfreudigen Koch, der vor allem regionale Produkte verarbeitet und ein Gericht namens „Feine Sahne Fischfilet“ auf der Karte führt
- Ich bin 49 geworden, und seitdem fragen mich alle, ob ich mir schon Gedanken gemacht habe, wie ich meinen nächsten Geburtstag feiern will. Nein, habe ich nicht.
- Ich habe eifrig und mit großer Freude an meinem ROMAN geschrieben, dauert aber noch.
- Ich war zum WANDERN in den Dolomiten. Ich war viel zu lange nicht mehr zum Wandern in den Bergen gewesen, aber kaum war ich dort, ist passiert, was dort immer passiert. Ich glaubte pötzlich zu wissen, was der Sinn des Lebens ist, nämlich: zum Wandern in die Berge fahren.
- Ich habe BÜCHER gelesen. Besonders gerne gelesen habe ich: Jane Eyre von Charlotte Brontë, Die Farben des Feuers von Pierre Lemaitre, Was das Leben kostet von Deborah Levy, Die Liebe im Ernstfall von Daniela Krien und Herkunft von Saša Stanišić.
- Ich habe nur ganz selten mal kurz bei Facebook reingeschaut. Auf Instagram habe ich ab und zu ein Foto gepostet, auf Twitter habe ich zwischendurch ein bisschen getwittert, aber keinen rechten Gefallen daran gefunden und es dann wieder gelassen.
Im März hatte meine digitale Abstinenz ja damit begonnen, dass ich wieder Sieben Wochen ohne SOZIALE MEDIEN auskommen wollte. Ich habe diese Zeit genutzt, um mich aufs Romanschreiben zu konzentrieren und entdeckte: Wenn ich mich nicht ablenken lasse von Facebook, Twitter und Instagram, gelingt es mir regelmäßig, in einen Zustand rauschhaften Schreibens zu geraten. In einen Zustand, in dem es nur mich und die Wörter in meinem Kopf gibt und die Zeit verfliegt. In einen Flow, von dem ich längst vergessen hatte, dass es ihn gibt und wie glücklich er einen macht. Ich wollte mir diese Fähigkeit zum Rausch unbedingt bewahren. Deshalb habe ich mich auch nach Ostern weitgehend ferngehalten von den Sozialen Medien und sie höchstens passiv genutzt.
Mein Vorhaben war nie und ist es auch immer noch nicht, ganz auszusteigen aus dieser Welt. Aber je länger ich auf Distanz zu ihr blieb, desto fremder wurde sie mir. Inzwischen habe ich fast das Gefühl, dass ich es verlernt habe, wie man sich in ihr bewegt.
Was mir vor allem abhanden gekommen ist in den letzten Monaten, das ist die Selbstverständlichkeit, mit der ich früher – erst als Kolumnistin, dann als Nutzerin der Sozialen Medien – davon ausgegangen bin, dass meine Gedanken es wert sind, einem Publikum präsentiert zu werden. Immer öfter habe ich in den letzten Monaten erst gedacht: „Dazu könntest du doch endlich mal wieder was posten oder bloggen.” Dann: „Ach, ja, könnte ich. Kann ich aber auch sein lassen. Es gibt ja genug andere, die sich dazu äußern.”
Einerseits finde ich ja, dass man das Älterwerden unbedingt dazu nutzen sollte, seine Persönlichkeit weiter zu entwickeln. Dazu gehört meiner Ansicht nach die Einsicht, dass es nur wenige Menschen auf der Erde gibt, für die wir tatsächlich (nahezu) unentbehrlich sind.
Andererseits habe ich euch trotzdem zunehmend vermisst in den letzten Wochen. Vor allem die unter euch, die diesen Blogbeitrag bis zum Ende durchgelesen haben. - Und darum bin ich jetzt also wieder da.
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Liebe Julia,
freut mich, dass du wieder da bist, aber ich verstehe vieles von dem, was du schreibst, sehr gut. Besonders nah sind mir deine Gedanken zu „Muss ausgerechnet ICH auch noch was zu diesem wichtigen Thema schreiben?“
Ich finde aber, mit einem Pfund kann und sollte man immer wieder mal wuchern, auch öffentlich: kritische Selbstdistanz. Die finde ich bei dir. (Bei vielen anderen nicht!) Und das freut mich nicht nur, sondern damit bist du auch ein „Vorbild“. Immerhin lernen wir Menschen ja nicht zuletzt am Modell.
Mach weiter! Aber nur, wenn dir danach ist!
Herzlich
Heidi
Wie schön, von Dir zu lesen! Alles klingt total authentisch, plausibel und macht mich fast ein bisschen neidisch – vor allem das mit dem vorerst letzten Mal eine Aula betreten!!
Ich freue mich auf einen gelegentlichen Kaffee, um mehr zu erfahren….
Liebe Grüße, Anne
Wunderbar- ich freu mich von dir zu lesen, und hab mich gefreut, dass alle Bücher , die du dir einverleibt hast, ich mir auch einverleibt habe und das verbindet mich , nebst einigem anderen, virtuell sehr. Ich war im Sommer eine Woche in Hamburg und fand es alles andere als langweilig, vielleicht weil ich schon zu lange in Zürich lebe, welches mir auf eine schräge Art und Weise langweilig daherkommt… Virtuelle Grüsse aus der Schweiz, Carolin
Liebe Julia,
ich habe Deinen Beitrag mit großem Genuß bis zum Ende gelesen. Mag sein, dass es viele begabte Schreiberlinge gibt. Aber ich liebe DEINEN ganz eigenen Stil. Daher freue ich mich, wieder ab und zu von Dir zu lesen und hoffe, dass mir das gelingt, habe ich mich doch auch gerade auf Facebook-Diät gesetzt und kriege einfach weniger mit. Liebe Grüße Sylvia
Liebe Julia,
ja, ich will lesen was du so denkst und schreibst, weil ich finde Du hast den besten Schreibstiel und ich
habe es ganz schön vermisst was von Dir zu lesen.
Du warst der Grund warum ich die Brigitte überhaupt gelesen/ gekauft habe .
Als Du gewechselt bist habe ich halt Brigitte Woman gelesen.
Und wegen Dir bin ich überhaupt zu Facebook gegangen.
Bitte schreibe weiter.
Du bist für mich so was wie ; die weibliche Stimme unserer Generation ..
Schön, wieder was von Dir zu lesen
Vielen Dank, dass ihr meine Rückkehr so herzlich begrüßt! Das freut mich! <3
AutorinNa Julia, das wurde aber auch Zeit 😉 ich hatte mir schon ernsthaft Sorgen gemacht.
Natürlich habe ich diesen mit viel Herz, Verstand und Erkenntnis geschriebenen Beitrag gerne zuende gelesen. Manches braucht eben Zeit, die innere Entwicklung bestimmt und ist es nicht wunderbar, dass diese auch mit 49 Jahren immer noch in Bewegung ist?
Pssst, ich verrate Dir was – es hört niemals auf …
Liebe Grüße
Birgit