Zum Geburtstag hat sich unsere Tochter die Hochzeitskirche von Playmobil gewünscht. Sie hat sie bekommen. Seitdem geht es im Zimmer unserer Tochter zu, als sei sie Priesterin der Moon-Sekte: Hinter ihrer Tür finden Hochzeiten am Fließband statt. Wer die Zeremonien lauschend verfolgt, bekommt Folgendes zu hören: „Und willst du die Frau von dem da werden und für immer mit ihm zusammenbleiben, und zwar bis einer von euch richtig tot ist?” Kurze Pause. „Ja! Um Gottes willen!”
Mein Mann und ich haben uns als Kinder einen Hund gewünscht. Wir haben nie einen bekommen. Mein Mann nicht, weil sein Vater keine Hunde mag. Ich nicht, weil meine Mutter wollweiße Teppiche mag.
Jetzt haben wir einen. Wenn der Hund alt wird, wird er länger gelebt haben, als das Drittel jener Ehen hält, die in Deutschland geschieden werden – nach durchschnittlich 13,9* Jahren. Der Hund wird auch noch dann bei uns wohnen, wenn unsere Kinder schon ausgezogen sind. Und wenn sie einst einen Therapeuten konsultieren, um herauszufinden, für welche Lebensprobleme sie das erzieherische Versagen ihrer Eltern verantwortlich machen können, werden mein Mann und ich immer noch erziehen – den Hund.
Falls es mir gelingt, meine Erziehungssucht
auf den Hund zu lenken,
gibt es die Chance, dass meine Ehe hält
Ein Hund muss erzogen werden, solange er lebt, sonst läuft er womöglich eines Tages weg oder beißt. Bei Männern ist das genau umgekehrt. Die werden aggressiv oder laufen weg, wenn man nicht aufhört, sie erziehen zu wollen. Wenn es mir gelingt, meine Erziehungssucht vom Mann auf den Hund umzulenken, gibt es die Chance, dass mein Mann und ich miteinander silberne Hochzeit feiern.
Unsere silberne Hochzeit werden wir mindestens zu dritt feiern: mein Mann, ich und der Hund, der meinen Mann vor mir gerettet hat. Die 14 Jahre bis zur Silberhochzeit werden wir unter anderem damit verbringen, geschätzte 10 000 Stunden bei Tag und Nacht durch Wind und Wetter zu laufen und geschätzte 10 000 Haufen in schwarze Beutel zu verpacken und bis zum nächsten Mülleimer zu tragen. Die Frage, ob man sich einen Hund anschafft, sollte man also gründlich überdenken: „Willst du das Frauchen von dem da werden und für immer mit ihm zusammenbleiben, und zwar bis einer von euch richtig tot ist?” Ich: „Ja.” Die Menschen um mich herum: „Um Gottes willen!”
Will man sich einen Ehemann anschaffen,
traut sich keiner zu sagen:
„Hast du mal dran gedacht, was der so wegfrisst?”
Wenn man mitteilt, dass man sich einen Ehemann anschaffen will, gratulieren die Menschen. Kein Mensch sagt: „Hast du mal daran gedacht, was du dir da ans Bein bindest? Dass du x Jahre seine schmutzigen Unterhosen waschen musst? Und was der so an Fleisch wegfrisst? Und die stinken immer so, wenn die vom Sport nach Hause kommen, da riecht das ganze Auto. Eklig. Und wo lässt du den, wenn du mal zum Shoppen nach London willst? Also, ich kenne einen, wenn der mal allein zu Hause bleiben soll, verwüstet der die ganze Wohnung.
Und was, wenn der ständig süßen Hasen oder läufigen Nachbarinnen hinterherspringt? Die sind ja doch alle triebgesteuert, wenn die was wittern, hält die nix. Ich würde dem als Erstes die Eier abschneiden, sonst hast du nur Stress. Na, musst du ja selbst wissen, ich habe dich gewarnt. Für mich wäre das nichts, mir ist meine Freiheit wichtig – die ganze Verpflichtung und Verantwortung, und ständig muss man sich um den kümmern.“
So trauen sich die Menschen nicht zu reden, wenn man heiraten will. So trauen sie sich zu reden, wenn man einen Hund haben will. Auf diese Art Einwände gibt es nur ein mögliches Gegenargument, unvernünftig zwar, aber schlagend: „Trotzdem!” Das ist bei Hunden nicht anders als bei Männern.
*Inzwischen hat sich die durchschnittliche Ehedauer bis zur Scheidung in Deutschland auf 15 Jahre erhöht.
Brigitte 01/2009
Foto: Kalle vom Rademoor (2008 – 2013)
Ich habe so gelacht und mit dem Kopf bejahend genickt. Eine der Stories, warum ich sie hinten in der BRIGITTE Woman si sehr vermisse. Ihr Lfan Christine
Jetzt hat die Ehe den Hund überdauert. Leider! Das betrifft aber nur den Hund
Göttlich! Ich weiß das, ich hab einen Mann! Und gelacht hab ich auch sehr!
Köstlich! GENAU das habe ich gehört, als ich meinen ersten Hund angeschafft habe! Ja – richtig- inzwischen habe ich zwei. Hunde. Zwei Männer wäre ja auch strafbar.
Wenn du erst einmal auf den Hund gekommen bist, kommst du nicht mehr davon los. Lass dir das von einer erfahrenen Hundemutter gesagt sein. 🙂
LG Anna-Lena
Danke, dass du das nochmal veröffentlicht hast, Julia! Eine ganz und gar zeitlose Kolumne, die mich schon 2009 (das Jahr, in dem ich „ja“ zum Hund gesagt habe) sehr amüsiert hat! So wahr!