Freitagnachmittag, die Kinder verbringen das Wochenende woanders, ich hole meinen Mann von der Arbeit ab. Unser Plan: Wir schlendern Hand in Hand in die Innenstadt, dort bummeln wir gemeinsam durch die Geschäfte. Dann schmiegen wir uns aneinander auf dem Sofa eines kuscheligen Cafés und öffnen uns in einem intensiven Gespräch, bevor wir zusammen im Kino entspannen. Anschließend besuchen wir ein gutes Restaurant, wo wir miteinander lachen und schweigen, danach gehen wir nach Hause, um ungestört Mann und Frau sein zu können. Was man halt so tut, wenn man die Kinder ein oder zwei Tage los ist.
Der Mann sagt: „Was brauchst du denn?“
„Gar nichts brauche ich“, sage ich,
„keiner, den ich kenne, braucht irgendetwas.“
Wir schlendern also Richtung Innenstadt. Ich: „Willst du mir nicht etwas Schönes zum Anziehen schenken?“ Ich verdiene Geld, habe ein Konto und eine eigene Kreditkarte, mit der ich meine Einkäufe bezahle, das ist der Alltag. Aber heute ist nicht Alltag, heute ist Romantik, heute stelle ich es mir romantisch vor, einen Mann zu haben, der sagt: „Such dir aus, was dir gefällt!“ Der Mann, den ich habe, sagt: „Was brauchst du denn?“ – „Gar nichts brauche ich“, sage ich, „keiner, den ich kenne, braucht irgendetwas.“ – „Doch“, sagt mein Mann: „Ich. Ich brauche eine Hose.“
Wir stehen auf der Rolltreppe eines Geschäfts, das Herren- und Damen-Moden führt. Im ersten Stock sagt mein Mann: „Hier sind die Hosen!“ Ich: „Ich fahre nach oben, du kannst ja gleich nachkommen.“ Ich wildere in der Damen-Exquisit-Abteilung und lande mit einem Arm voller Kleider in einer Umkleidekabine. Ich probiere die Kleider an. Ich warte, ich gucke mich an, je länger ich warte und gucke, desto fragwürdiger finde ich es, ob die Exquisit-Kleider auch an mir exquisit aussehen.
„Das ist nicht dein Ernst!“, rufe ich:
„Ich nehme doch keinen Kompass mit zum Einkaufen!“
Ich brauche meinen Mann. Ich rufe ihn an. Ich sage: „Wo steckst du?“ – „In einer zu kleinen Hose“, sagt mein Mann. – „Du wolltest mir ein Kleid kaufen!“ – „Und wo bist du?“ -„In einer Kabine in der Exquisit-Ecke.“ – „Na gut, ich komme.“ Mein Mann kommt nicht. Ich stehe in Socken und Kleid in einem Kabuff herum, durch das ich mittlerweile den halben Warenbestand der Exquisit-Abteilung geschleust habe, Verkäuferinnen werfen mir böse Blicke zu.
Das Handy klingelt, mein Mann: „Warum gehst du nicht ran?“ Ich: „Wieso, ich bin doch dran.“ – „Aber eben bist du nicht rangegangen.“ – „Eben habe ich Kleider zum Anprobieren gesucht. Wenn du mal kommen würdest . . . “ – „Hör zu, ich renne seit Stunden herum und suche dich, ich rufe an, aber du gehst nicht ran, wo bist du denn, verdammt noch mal?“ – „Hab ich doch gesagt, hinter den Exquisit- Kleidern.“ – „Hier sind keine Exquisit- Kleider.“ – „Natürlich sind hier Exquisit- Kleider.“ – „Wo, in welcher Himmelsrichtung?“ – „Wie jetzt?“ – „Na, liegen die Umkleidekabinen Richtung Norden oder Süden?“ – „Das ist nicht dein Ernst!“, rufe ich: „Ich nehme doch keinen Kompass mit zum Einkaufen!“ Mein Mann: „Man weiß doch wohl, zu welcher Straße hin die Umkleidekabinen liegen.“ Ich: „Nein, das weiß man nicht, hier sind keine Fenster. Ich weiß, das klingt hart, aber ich schätze, du wirst über deinen Schatten springen und eine Verkäuferin fragen müssen.“
Ich habe kein Kleid bekommen, ins Kino gegangen sind wir auch nicht. Immerhin haben wir uns in einem langen und intensiven Gespräch über Ursache und Folgen ehelicher Missverständnisse geöffnet. Danach sind wir in ein Restaurant gegangen und haben uns gegenseitig ausgelacht. Man muss ja nicht immer was kaufen.
Brigitte 23/2006
Liebe Julia seit Jahren folge ich Dir durch die Brigitte dann in Facebook und jetzt auf Deinem Blog. Ich habe nur noch eine Frage: kennst Du uns persönlich?
Ich glaube wir haben Kinder in gleichem Alter, aber was Du schreibst ist haargenau was ich auch erlebe! Übrigens meine Söhne (ich habe halt übertroffen mit dem Anzahl) lesen nach wie vor auch nicht gerne. Grüße aus Esslingen Ale