Neulich habe ich die Küchenschränke aufgeräumt und dabei Radio gehört. Die Sendung, die ich hörte, geht so: Es gibt ein Thema der Woche, im Studio sitzen Expertinnen und Experten, Hörer können anrufen und Fragen stellen. Das Thema lautete: Droht der Erde eine Überbevölkerung?
Unter den Anrufern war eine Frau. Die Frau stellte eine Frage. Die Männer fragten nichts. Sie hatten eine Meinung.
Es war sehr spaßig, den Männern beim Meinung-Haben zuzuhören. Fast vergaß ich darüber die Küchenschränke. Wer das Konzept der Sendung nicht kannte, hätte glauben können, es hieße „Amateur- Experten telefonieren mit Profi-Experten“.
Die Amateur-Experten wirkten, als würden sie ihre gesamte Freizeit dem Überbevölkerungs- Problem widmen: Zeitungsausschnitte sammeln und vor dem PC sitzen, um sich in Überbevölkerungs-Amateur- Experten-Foren mit anderen Überbevölkerungs- Amateur-Experten über Überbevölkerungs- Amateur-Meinungen auszutauschen.
Es hätte mich nicht gewundert,
wenn sich die Lautsprecherverkleidung unter dem Druck des männlichen Brusttons nach außen gewölbt hätte
Die Männer jonglierten derart überzeugt mit irgendwelchen Daten, Fakten und Schlussfolgerungen herum, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn sich die Lautsprecherverkleidung unter dem Druck des männlichen Brusttons nach außen gewölbt hätte. Eine Männermeinung hieß: Regelt sich alles von selbst – sobald es viel zu viele von uns gibt, wird’s zu eng und das Essen zu knapp, und dann gibt’s noch mehr Kriege und Hungersnöte, und schon sind wir ein paar Millionen weniger. Punkt. Was sagst du nun? Noch Fragen? „Hm, ein sehr interessanter Aspekt“, summten die Profi- Experten und versuchten, Antworten zu finden auf die Frage, die nicht gestellt wurde: Wie kann man so ein Elend verhindern?
Ich wischte die Küchenschränke und dachte, dass es vermutlich kein leichter Job ist, Profi-Experte zu sein.
Ich habe mütterlicherseits einen entfernten Verwandten, dessen Meinungsübertragungsversuche ich gelegentlich live verfolgen kann.
Der Verwandte hat zu allem was zu sagen,
egal ob es um Genforschung, die Reimtechnik im Minnesang oder um die Zukunft der SPD geht
Dieser Verwandte hat zu allem und jedem etwas zu sagen, und egal ob es sich um Genforschung, die Reimtechnik im mittelhochdeutschen Minnesang, das paraguayanische Steuerrecht, Napoleons Sieg in der Schlacht bei Marengo oder um die Zukunft der SPD im Allgemeinen oder des Seeheimer Kreises im Speziellen handelt, leitet er seine Ausführungen mit „Das ist doch ganz klar. . . “ ein.
Lange habe ich stumm beschämt darunter gelitten, dass mir selbst so schrecklich wenig klar ist. Inzwischen habe ich gelernt, aus unseren Begegnungen das Beste zu machen: Vor jedem Treffen suche ich bei Wikipedia nach einem von mir entwickelten Zufallsprinzip drei Stichworte heraus (zum Beispiel: neolithische Revolution, Urchristentum, ILO), werfe sie ihm im Laufe unseres Beisammenseins wie zufällig zum Fraß hin („Die International Labour Organisation ist ja auch nicht mehr das, was sie mal war!“) und beobachte mit verzücktem Erstaunen, wie sich der mir Anverwandte auf das Thema stürzt, sehr kurz verdaut und binnen Sekunden eine Meinung ausscheidet. So bekomme ich die Zeit mit ihm ganz gut rum.
Text: Brigitte 07/2006
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Deshalb gestalten Männer die Welt und nicht Frauen. Weil Männer überlegen und selber handeln, statt nur passiv zu konsumieren, wie die durchschnittliche Frau. Männer bringen die Welt voran, Frauen laufen hinterher.
”Auch so dumme Propaganda-Begriffe wie ‚Mansplaining‘ solltest du aus deinem Wortschatz streichen. Viele Gedanken aus deiner Seite sind nicht unintelligent und eines solchen Duktus eigentlich unwürdig. Bewahr dir dein kritisches Denken und hör auf die von anderen sagen zu lassen, was kritisch ist.”
Das als Kommentar eines Mannes zu einem Text über Mansplaining: Sie sind Hobby-Satiriker, oder?
AutorinHaha!
Autorin@MATON Die logische Schlussfolgerung aus Ihrem Statement wäre: Dann ist ja klar, warum die Lage dieser Welt so problematisch ist.